Agrarallianz Schweiz

Die Zukunft liegt in der Ernährungspolitik

In der agrarpolitischen Debatte hat die Ernährungspolitik gerade viel Aufwind. Dahinter steht eine einfache Idee: agrarpolitische Zielkonflikte sollen reduziert, nachhaltige Produktion und gesunde Ernährung besser aufeinander abgestimmt werden.

Ernährungspolitik an sich ist dabei kein neues Thema. Schon am 17. Dezember 1993 wollte Nationalrat Gilles Petitpierre vom Bundesrat wissen, wie die nationale Ernährungspolitik aussehen soll. Dem Liberalen ging tags zuvor der SVP-Nationalrat William Wyss voraus. Wyss ersuchte den Bundesrat, «Möglichkeiten zu prüfen, durch eine verstärkte Information und Aufklärung, vor allem bei der Jugend, ein bewussteres und gesünderes Konsum- und Ernährungsverhalten der Bevölkerung zu erreichen». Damals im Vordergrund standen die gesunde Ernährung und die Krankheitsprävention. Die Anstrengungen mündeten in der Ernährungspyramide, allgemeinen Ernährungsempfehlungen und der Schweizer Ernährungsstrategie.

30 Jahre später ist die Gesundheit der Bevölkerung nach wie vor ein wichtiges Thema: wir essen zu viel Fleisch, zu viel Salz, zu viel Zucker, zu viel Fett und eher zu viel als zu wenig verarbeitete Lebensmittel. Wir bewegen uns zu wenig und werden immer dicker: 2017 war jeder zweite Mann und jede dritte Frau übergewichtig. Das Bundesamt für Statistik hat festgestellt, dass im Zeitraum von 1992 bis 2017 der Anteil der adipösen Menschen verdoppelt hat. Bei den Männern von 6 auf 12 %, bei den Frauen von 5 auf 10 %. Wenig überraschend leidet etwa ein Viertel der Schweizer Bevölkerung an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und anderen nichtübertragbaren Krankheiten.

Am anderen Ende steht eine Land- und Ernährungswirtschaft, die nach Kräften anbietet, was nachgefragt und politisch unterstützt wird. Vom Feld bis auf den Teller geht rund die Hälfte aller produzierten Lebensmittel verloren. Und damit viel Herzblut und Leidenschaft, Diesel, Dünger und Pestizide – alles Ressourcen, die eigentlich zu Schade sind, um in einer Biogasanlage vergärt zu werden, während die Bevölkerung weiterwächst. Pestizide sind über Jahrzehnte in Böden nachweisbar, hinzu kommen Überschüsse von jährlich gegen 100’000 Tonnen Stickstoff.

Das Nationalfondsprojekt 69 zeigte, dass eine gesunde Ernährung nachhaltiger sein kann. Die Ausgangsfrage ist nun: wie bringt man gesunde Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft zusammen? Diese Frage soll im Rahmen der Ernährungspolitik beantwortet werden können. Das Ziel ist eine gesunde Welt: gesunde Menschen, gesunde Ökosysteme und eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft. Was das ganz genau heisst für die Märkte und für das Zusammenspiel von der Heu- bis zur Essgabel, muss sich erst noch zeigen – selbst innerhalb der Agrarallianz stehen wir erst am Anfang des Prozesses. Wir wissen aber, dass die Ernährungspolitik

  • für alle Akteure von der Heu- bis zur Essgabel Perspektiven schafft: Sie muss Perspektiven und Profilierungsmöglichkeiten für alle Akteure schaffen und darf niemanden zurücklassen. Sie muss gemeinsam entwickelt und zur Umsetzung gebracht werden.
  • LandwirtInnen und KonsumentInnen und verbindet: Sie ermöglicht den Akteuren in der Land- und Ernährungswirtschaft, frühzeitig und proaktiv auf verändernde Kundenwünsche zu reagieren und schafft Kontakte zwischen LandwirtInnen und KonsumentInnen.
  • die Tragfähigkeit der Ökosysteme respektiert: Standortangepasste und vielfältige Produktionsformen nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse von Mensch, Tier und Umwelt. LandwirtInnen denken, pflegen und entwickeln Ökologie, Tierwohl und Produktion gemeinsam.
  • das Wohl der Tiere mitberücksichtigt: Eine nachhaltigere Ernährung ist tiergerecht und trägt der Belastbarkeit der Tiere Rechnung.
  • enkeltaugliche Antworten gibt: Das gesellschaftliche Interesse an der Landwirtschaft wächst. Die Ernährungspolitik schafft die Grundlage für die aktive und enkeltaugliche Weiterentwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft.
  • ambitioniert, mutig und optimistisch ist: Zugrunde liegt das Verständnis, dass die Geschichte die Gegenwart prägt aber nicht die Zukunft voraussagen kann. Es gilt, auf Bewährtem aufzubauen und gemeinsam mutig und optimistisch vorwärts zu gehen.